
AUSPROBIERT – Zur Diskussion stand ein Wochenendtrip im Dezember, aber weder New York noch irgendein Ort auf der Südhalbkugel schaffte es über den Wunschstatus hinaus. Mein Liebster und ich wollten dorthin, wo man sich mit dem Winter auskennt, wenn es geht auch mit Weihnachten, aber bitte ohne Hüttengaudi und Höhenmeter (die Skifahrer mögen´s mir verzeihen). Was wäre also besser geeignet gewesen als Kopenhagen? Nichts, war nämlich ein Volltreffer …
Einfach hyggelig
Nach einer guten Stunde Flug landen wir also in der dänischen Hauptstadt, schreiten durch ein kathedralenhaftes Gebäude, vorbei an einer dichten Kette rot geschmückter Weihnachtsbäume und haben den ersten Kontakt mit etwas, für das wir immer wieder nach passenden Worten suchen: angenehm, stilvoll-gemütlich, geerdet, liebevoll. Der Däne sagt dazu „hyggelig“ – meint all das und noch vielmehr.

Zu Fuß durch Kopenhagens Innenstadt
Die Innenstadt von Kopenhagen meistern wir zu Fuß und laufen für einen ersten Überblick die Haupteinkaufsmeile Strøget vom Rathausplatz bis zum von bunten Häusern gesäumten Nyhavn. Dabei durchwandern wir die Einzelhandelswelt von internationalem Ramsch bis zu dänischen Delikatessen. Über uns leuchten knallrote Herzen und jede Menge Lichterketten. Die Schaufenster sind nicht nur geschmückt sondern regelrecht weihnachtlich eingerichtet.
Kleine Shops und extraviel Gemütlichkeit
Richtig interessant wird es in den vielen kleinen Seitenstraßen, in denen wir mit Shops wie Liebe (Kompagnistræde 23) und Stilleben (Niels Hemmingsensgade 3) wahre Tempel der Wohnlichkeit entdecken. Zwischen den Objekten, Produkten und Möbeln flackern – in Deutschland dank umfassender Brandschutzbestimmungen undenkbar – echte Kerzen und sorgen für eine Extraportion Gemütlichkeit. Ganz nebenbei kann man durch die Seitenstraßen hindurch schon mal einen Blick auf die eine oder andere Kopenhagener Sehenswürdigkeit werfen.
Wer sich wie wir in den kleinen Gassen wohlfühlt, dehnt seinen Radius in das inoffiziell etwas unschön betitelte Viertel „Pisserenden“ aus. Früher einmal dank Bar- und Rotlichtbetrieb das „Pissoir“ der Stadt, dient es heute dem entspannten Stöbern und Schlemmen in alten und neuen Shops, Café und Restaurants.

Kälte? Kein Problem!
In einem zweiten Anlauf arbeiten wir uns bis zu den Straßen zwischen Købmagergade (Runder Turm) und Gothersgade vor. Und auch hier: schöne, kleine Geschäfte und Lokale soweit das Auge reicht. Um nur einige zu nennen: Casa Shop (Store Regnegade 2), Zoo Bar (Sværtegade 6), 42 Raw (Pilestræde 42), Madklubben Steak (Pilestræde 23), Wood Wood (Grønnegade 1). Der eisige Wind und das nur geringfügig vorhandene Tageslicht lehren uns, schnell und häufig von diesen Angeboten Gebrauch zu machen.
Das bedeutet aber nicht, dass sich die Menschen verkriechen und auf den winterlichen Straßen von Kopenhagen kein Betrieb wäre. Im Gegenteil – man scheint nicht die Kälte oder das fehlende Licht zu beklagen, sondern einen leidenschaftlichen Sport darin zu betreiben, sich in dicke Mäntel (vorzugweise einer kanadischen Nobel-Gänsefeder-Marke) und die Stadt in Dekorationen, Schmuck und Lichterketten zu hüllen. Die Kälte wird schlichtweg ignoriert und mit dem einen oder anderen Gløgg bekämpft.


Juledage und Kids in Kopenhagen
Gløgg trinken wir auch bei Manfred´s & Vin auf der Jægersborggade in Nørrebro. Wir haben Glück, denn es sind „Juledage“ und viele der über 40 ausgefallenen Shops verkaufen an diesem Wochenende an improvisierten Straßenständen. Kopenhagener sind mit ihren Kids unterwegs und machen daraus eine Art Nachbarschaftsfest, bei dem der Spaß eindeutig im Vordergrund steht.
Sind die Geschäfte zu klein, um einen Kinderwagen mit hineinzunehmen, bleibt er kurzerhand mit samt schlafendem Kind vor der Tür stehen. Was in Deutschland jeder Mutter und jedem Vater ein amtliches Rabeneltern-Urteil bescheren würde, ist hier eine vertrauensvolle und gebräuchliche Sache. Auch wenn Mama oder Papa sich mal mit dem Laptop im Café niederlässt.

Markthalle mit Familienanschluss
Eine Wahlkopenhagenerin bestätigt uns bei einer Tüte köstlicher Rosmarin-Fritten mit Basilikum-Mayonnaise in der Markthalle Torvehallerne das entspannt-zutrauliche Wesen der Dänen. Sie berichtet über die Fülle an Möglichkeiten ihrer Stadt, die bunte Mixtur der Menschen, die gewöhnungsbedürftige Aussprache dänischer Worte und diese spezielle Sache mit dem „hyggelig“.
Da tauchen ein paar Strahlen Sonne auf und sie möchte uns schnellstens auf eine Bootstour durch die Kanäle Kopenhagens schicken. Mit einem Blick auf die Tageslichtuhr verschieben wir das aber und machen uns auf zum Tivoli, einem der ältesten Vergnügungsparks der Welt mitten in der Stadt.


Tivoli
Richtig hyggelig wird es im Tivoli bei Nacht. Da man auf die nicht lange warten muss, stehen wir gegen 18 Uhr am Haupteingang und staunen über den Andrang an einem eisigen ersten Dezember. Für 95 Kronen (umgerechnet ca. 13 €) schieben wir uns durch die Weihnachtsmarkttrasse vorbei an russischen Zwiebeltürmen, Kettenkarussell und Konzertsaal zur Looping-Achterbahn. Ein paar Meter weiter kreist ein offenes Flugzeug in luftiger Höhe um einen rotierenden Arm. Beim Zählen der Achsen, um die sich das Flugzeug dreht, wird mir schlecht. Darauf erstmal einen Gløgg.
Die Laser-Show am See verpassen wir, weil wir versuchen, in eines der zahlreichen Restaurants zu kommen. Das Madklubben zum Beispiel gibt es in mehreren coolen Ausgaben über die ganze Stadt verteilt. Bei der Parkversion knicken wir aber mangels Fortschritt in der Warteschlange ein. Das beschert uns immerhin noch einen Rundgang durch den Budenzauber rund um die „Quality Street“ und eine Runde Pferderennen (meine einzige Spielsucht) bevor wir bei Wagamama einen Platz ergattern. Die spezielle Kombination aus Kitsch und Nostalgie macht einen Besuch im Tivoli trotz des Andrangs leider unerlässlich.



Morgenmad und eisige Hafenromantik
Bevor wir uns an unserem letzten Tag zur Erkundung Kopenhagener Architektur aufmachen, müssen wir feststellen, dass es heftig geschneit hat und man zum Morgenmad, dem dänischen Frühstück, im Granola (Værnedamsvej 5) definitiv früher dran sein muss. Kein Problem, denn im Kleist Kaffe (Frederiksberg Alle 12) gibt es Brunch. Glücklicherweise erwartet uns dabei kein Kleinkrieg am Buffet sondern ein um Pfannkuchen und andere warme Lieblinge erweitertes Frühstück am Tisch. Köstlich!
Das anschließende Ringen um die Bootstour zur Sammelbesichtigung architektonischer Highlights gewinnt der eisige Wind und so schliddern wir kurzerhand auf der Hafenpromenade Richtung Schauspielhaus. Am anderen Ufer: Der Stadtteil Christianshavn, das dänische Architekturzentrum und die Oper. Eine nähere Besichtigung verschieben wir auf sommerliche Tage, umrunden Nyhavn und flüchten in das Café/Restaurant Ofelia im Schauspielhaus – ein kathedralenhafter Ort mit stockwerkeübergreifender Glasfront zum Wasser, molliger Temperatur und weihnachtlicher Riesentanne. Nur der Gløgg, der ist aus. Hyggelig ist es trotzdem.






4 Kommentare
Wunderschön! Der Bericht, die Bilder, die Atmosphäre, in die ich fast hineingezogen wurde beim Lesen! Ich weiß schon, was wir dieses Jahr im Dezember machen werden… ;-) Danke wieder einmal für den tollen Tipp!
Vielen Dank, liebe Sasse. Kopenhagen ist wirklich wunderschön und auch zur Weihnachtszeit sehr verführerisch! Ich wünsche Euch viel Spaß beim Planen und bin gespannt auf Erfahrungsberichte …
Nach Beitragsautor
… und: hast Du vielleicht auch noch einen Hotel-Tipp für uns?
Hotels sind so eine Sache in Kopenhagen … Mir gefällt zum Beispiel das Ibsens Hotel. Zur Erkundung der City liegt es auch sehr gut. Etwas schräger ist das Hotel Fox. Jedes Zimmer hat ein anderes Thema. Dann gibt es noch das Radisson Blue Royal Hotel, was von Arne Jacobsen entworfen wurde und echte Design-Klassiker zeigt. Skandinavisch-reduziert und mit HAY-Interior ausgestattet sind die STAY-Apartments. Sie liegen allerdings etwas weiter raus. In dem HAY-Store solltest du auch unbedingt vorbeischauen und ein bisschen extra Weihnachtsgeld mitnehmen. ;-)
Nach Beitragsautor