
AUSPROBIERT – Wow, wirklich alles fake und es funktioniert – das ist der Gedanke, der mir durch den Kopf schießt, als ich zum ersten Mal in meinem Leben auf dem Strip, dem mammuthotelgesäumten Teil des Las Vegas Boulevard, stehe. Ich bin eigenartig fasziniert und bewege mich mühelos zwischen Comer See und Pariser Eiffelturm, auf einen Sprung zu Caesar und weiter nach Venedig, wo eine hübsche Schlange Menschen wartet, um sich für romantische 75 Dollar durch ein Shopping-Städtchen mit künstlich strahlendem Himmel und knietiefem Wasser staken zu lassen. Eine Arie vom Ringelhemd-Gondolieri ist dabei Pflicht.
Später schaue ich noch in Luxor, bei König Artus und in New York vorbei. Viele dieser mehrere Tausend Zimmer umfassenden Hotelkomplexe gehören zu den größten der Welt und fast alle haben Casinos so riesig, dass jede deutsche Spielbank dagegen wie eine mickrige Spielhölle wirkt. Es ist überwältigend. Alles blinkt und leuchtet, sobald die Sonne untergeht, Millionen von Lampen strahlen an aufwendigen Fassaden um die Wette und hinter jeder Palme scheint ein weiterer Lautsprecher dafür zu sorgen, dass man niemals unentertained ist.



Die Stadt, die niemals schläft – das ist Las Vegas
Und tatsächlich fühlt es sich ein bisschen so an, als müsse die Party nie zu Ende gehen – kein Morgengrauen, kein Köpfchen, einfach immer weitermachen. In den Casinos sorgt das Dauerschummerlicht für zeitlos-meditative Gesichtsausdrücke bei Touri-Turnschuhen neben Pailletten-Stilettos. An den Automaten sitzen Spieler und Spielerinnen jeden Alters. Sie scheinen überraschend ungerührt angesichts einigermaßen hoher Spielstände. Dagegen geht beim Craps die Post ab und die Würfel fliegen durch die Tischwanne. Meine Gewinnerqualitäten beschränken sich allerdings auf einen souvenirtauglichen Cash-Out-Voucher über 20 Cent vom einarmigen Banditen. Aber der ist die Reise wert.



Shopping, Show und Gusto
Widmet man sich nicht dem Vermehren der eigenen Barmittel, locken Designer-Shopping-Malls und gefühlte 15 preisgekrönte Restaurants pro Hotel-Resort. Dazu kommen mehrmals täglich stattfindende Shows, davon allein acht verschiedene, aufwendig gestaltete Produktionen des Cirque du Soleil. Die knapp 300 Dollar für zwei Tickets des Unterwasserspektakels „O“ im Bellagio finde ich dann aber doch etwas sportlich und sehe eine nette kleine Rat Pack-Imitation mit einem cocktailsüffelnden Dean Martin.



Völlig kostenlos und doch unterhaltsam sind die öffentlichen Attraktionen der Hotels: Die wirklich beeindruckend hohen Wasserfontänen und der üppig begrünte Wintergarten im Bellagio, die Lava und reichlich Wasser speienden Vulkane vor dem Mirage und der herrlich ruhig und versteckt gelegene Lake of Dreams im Wynn. Nur den Niedergang von Atlantis im Ceasars Palace, den muss ich wegen zwischenzeitlicher Überreizung meiner Pappkameradenkapazität abbrechen.



Crime Scene – Do not cross
Nachts darauf zeigt Las Vegas eine grausam-fiese Fratze: In einem benachbarten Hotel kommt es zu einem vermeintlichen Bandenstreit mit anschließender Schießerei aus fahrenden Autos. Die Folge: drei Tote. Der Strip ist gesperrt und das nationale Fernsehen baut sich für eine Berichterstattung vom Ort des Geschehens auf. Aber Las Vegas wäre nicht Las Vegas, wenn der Betrieb nicht weiterginge. Und so werden die Passanten kurzerhand durch die Hotelkomplexe weitergeleitet.




Nebenschauplätze: Familie und Kunst
Indoor gibt es aus einer familienorientierten Ära neben den Casinos ganze Vergnügungsparks (Circus Circus Las Vegas) und mehrere Achterbahnen (New York, New York und Stratosphere Tower) zu entdecken. Heute steht auch Kunst hoch im Kurs. Und so komme ich in den Genuss von sehenswerten Skulpturen am noch jungen CityCenter. Im Wynn Hotel werfe ich einen Blick auf Jeff Koons „Tulips“ und überlege, ob die Andy Warhol-Ausstellung im Bellagio oder die National Geographic Show im Venetian etwas wäre. Das Rennen macht letztlich eine ganz andere Sehenswürdigkeit:

Das alte Las Vegas
Rund um die nördlich des Strips gelegene Fremont Street geht es etwas weniger luxuriös, dafür aber erschwinglicher und ein bisschen lokaler zu. Auf dem gigantischen LED-Schirm über der Fußgängerzone – der Fremont Street Experience – sehe ich eine ca. 10-minütige Show mit Bildern aus allen Teilen der USA und einer Rede von Präsident Obama. Zu einer anderen Stunde wäre es ein Bon Jovi- oder Queen-Konzert gewesen und hätte wahrscheinlich nicht weniger beeindruckt. Wer kein Problem mit der Höhe hat, kann an einer Seilbahn unter dem Dach entlangsausen.


Noch weiter in die Vergangenheit von Las Vegas führt ein Besuch im Neon Museum, das zwar ernsthaft streng mit der Verwendung von Fotos (strictly for personal use), aber auch voller stählerner Schätze ist. Vom einstigen Western-Thema über atomlastige Motive wie das „Stardust“ bis zu haushohen Figuren sind die Wahrzeichen dieser Stadt zum Greifen nah und ziemlich faszinierend. Wie Las Vegas selbst – eine Stadt, die es so sicher kein zweites Mal gibt.

4 Kommentare
Super Bericht und die Bilder sind wirklich Spitze. Der Hinweis auf die kostenlosn
Attraktionen der Hotels ist ein echter Tipp. Dazu als Ergänzung von mir: Vor dem Treasure Island findet die berühmte Seeschlacht Sirens of TI statt und dieses Spektakel ist ebenfalls kostenlos.
Vielen Dank! Die Seeschlacht habe ich leider verpasst – das Angebot ist ja einfach riesig … Für alle, die gerade einen Las Vegas-Trip planen, ein guter Tipp!
Nach Beitragsautor
Hallo, nein die Seeschlacht hast du nicht verpasst.
War auch Ende März in Las Vegas.. die ist zur Zeit wegen Umbau gesperrt
Mein Las Vegas-Trip ist leider schon über ein Jahr her – spannend war es auch so ;-)
Nach Beitragsautor